Von Gesine Hirtler-Rieger
Klassentreffen lösen Vorfreude aus: alte Freunde wiedersehen, tollen Feten nachspüren. Was wurde aus unseren Plänen?
Klassentreffen lösen Ängste aus: alte Feinde treffen, beschämende Situationen wieder wachrufen. Sind die anderen womöglich erfolgreicher oder gar glücklicher wie ich?
Die Zeit, die wir gemeinsam im Klassenzimmer, auf Ausflügen, beim Sport verbrachten, hat uns geprägt.
Das wurde mir bewusst, als ich kürzlich nach rund 20 Jahren wieder zu einem Klassentreffen des Gymnasiums anreiste. Rund 30 Frauen und Männer kamen da zusammen, wir waren uns fremd und vertraut zugleich. Das große Staunen setzte ein: Die unscheinbare U., die immer Einser schrieb, ist heute eine charismatische Künstlerin! Der ewig kiffende K. wurde Staatsanwalt!
Small talk ist erst einmal angesagt. Aber natürlich steckt in so einem Treffen viel mehr Potential. Klassentreffen sind Biografiearbeit pur. Es ist schade, wenn die Gespräche beim schnellen Abfragen des Lebenslaufs stehen bleiben. Doch oft weiß man erst einmal gar nichts vom anderen. Was tun?
Fragebogen im Vorfeld
Im Vorfeld des Klassentreffens habe ich einen biografischen Fragebogen entworfen und im neu entstandenen Klassenchat nachgefragt, ob daran Interesse besteht. Alle waren sehr angetan von der Idee, also schickte ich den Fragebogen jedem per Mail zu und bat um Rücksendung.
Die ersten Fragen waren harmlos:
Tätigkeit derzeit/Familie/ Lebensmotto/Künftiges Projekt
Dann ging es ins Detail: Ein Lieblingsort/ Das mache ich richtig gerne/Blick zurück auf die Schulzeit
Und schließlich wurde es spannend: Eine Erkenntnis, die ich gerne schon früher gehabt hätte/Auf diese Erfahrung hätte ich gerne verzichtet/Eine kleine lässliche Sünde…
Jedem und jeder war es freigestellt, welche Fragen sie beantworteten und welche nicht. Ich hatte die schöne Aufgabe, alle Fragebögen wieder einzusammeln, lesen zu dürfen und dann als pdf-Datei zusammenzuhängen und allen zuzusenden.
Ins Bild gesetzt
Der Vorteil für alle war: Man hatte schon mal ein rudimentäres Basiswissen über jeden. Und konnte nun gezielt beim einen oder anderen Punkt nachhaken, sich darüber austauschen und tiefer ins Gespräch kommen. Jede*r war auch aufgefordert, ein aktuelles Foto in den Fragebogen einzufügen. Dadurch blieb so manches womöglich peinliche Rätselraten erspart, wer denn der mit dem Vollbart/die mit den Diva-Allüren wohl sein mochte.
Mein ganz persönlicher Vorteil bei der Fragebogen-Aktion: Ich bin dadurch mit jedem und jeder einzelnen schon vorab in Kontakt getreten. Und habe mit einigen noch vor dem Treffen spontan gezoomt, weil das gegenseitige Interesse so groß war.
Welche Ideen habt ihr, wie man ein Klassentreffen bereichern kann? Biografische Spiele, gemeinsames Tun – da gibt es sicher viele Möglichkeiten. Schreibt gerne einen Kommentar dazu!
Und hier noch ein toller Podcast zum Thema. Unter den Gästen ist auch die bekannte Psychologin Verena Kast: https://www.deutschlandfunk.de/zeitreise-in-die-vergangenheit-das-klassentreffen-dlf-64eeb985-100.html
Gesine Hirtler-Rieger, Kreatives und Biografisches Schreiben, www.schreibwerkstatt-passau.de
2 Antworten
Vielen Dank, tolle Anregungen für unser nächstes Klassentreffen 2026 (58 Jahre Schulentlassung)
Danke schön, Konrad. Viel Freude beim Erkunden neuer Möglichkeiten!