Von Ruth Bühler-Schuchmann

Foto: https://pixabay.com/de/users/josealbafotos-1624766

„Wer sich der Einsamkeit ergibt, ach der ist bald allein.“

Diese Zeilen von Johann Wolfgang von Goethe begegnen mir immer, wenn ich an meiner Heimat-Haltestelle auf die U-Bahn warte. Und jedesmal regen sie mich wieder zu neuem Denken an. Was hat das Thema nun mit Biografiearbeit und mit LebenMut(ig) zu tun? Ich denke, Einiges.

Hineingeboren in eine bäuerliche Großfamilie war immer etwas los. Unser Haus stand stets offen und war allen Menschen, die des Weges kamen, zugänglich. Heute kaum mehr vorstellbar, oder?

Während meiner Berufstätigkeit der letzten Jahre hatte ich eine Chefin die die „offene Tür“ pflegte. Die Tür zu Ihrem Büro stand fast immer offen. Fast, weil es natürlich auch Gespräche/Situationen gab, wo kein Zutritt erwünscht war. Eine klare Regelung und für alle gültig. Beides gab mir ein Gefühl von Sicherheit: „Wenn was ist, ist jemand da, mit dem ich sprechen kann.“ Ich fühlte mich weder einsam noch alleine.

Inzwischen lebe ich seit einigen Jahren alleine, die Kinder sind erwachsen und gehen ihre Wege. Das Alleineleben war eine bewusste Entscheidung mit 60 Jahren. 60 Jahre lang immer Menschen und Gewusel um mich herum. Manchmal zuviel und hin und wieder die Sehnsucht nach Alleine sein.

Damals war ich noch berufstätig, zwei meiner Kinder lebten in der Nähe. Einsamkeit? Nach wie vor kein Thema. Ich genoss das Leben und meine neu gewonnene Freiheit.

Vor zwei Jahren durfte ich dann in den langersehnten „Zeitwohlstand“ gehen, wohl überlegt, geplant und durchdacht. Die Kinder zogen in entfernte Städte.

Und dann war es auf einmal da, das Gefühl der Einsamkeit verbunden mit vielen Fragen nach Sinn, Werten, Was will ich….?

Der Zeitpunkt, mich mit dem Thema immer mehr auseinander zusetzen.

ZDF = Zahlen, Daten, Fakten

Laut Duden ist ALLEINSEIN  eine objektive Zustandsbeschreibung. Die Entscheidung, alleine zu sein, wird oft bewusst getroffen.

EINSAMKEIT dagegen ist eher auf der Gefühlsebene verortet. Sie wird individuell unterschiedlich erlebt.

Die Wertung von Einsamkeit ist auch kulturell besetzt.

In Südamerikanischen Ländern ist die Aussage “Ich bin / fühle mich einsam“ eine Aufforderung an die Mitmenschen, die Person einzuladen und ein Stück weit für Sie zu sorgen. Bei uns ruft diese Aussage eher befremden und vielleicht sogar Ängste hervor.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der romantische Beziehungen oft als Norm angesehen und idealisiert werden. Inzwischen gibt es jedoch eine Vielfalt von Lebensentwürfen, die es zu würdigen gilt. Seit den 1950er Jahren hat sich die Anzahl der Einpersonenhaushalte mehr als verdoppelt. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Einsamkeit betrifft nicht nur ältere Menschen, wie landläufig vielleicht angenommen. Mit und nach der Coronazeit haben Einsamkeit und oft damit verbundene psychische Erkrankungen auch bei Kindern und Jugendlichen zugenommen.

Interessante Zahlen hierzu sind im Einsamkeitsbarometer nachzulesen:

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/einsamkeitsbarometer-2024-237576

Aspekte von Einsamkeit

Einsamkeit kann sowohl postiv als auch negativ belegt sein.

Die negativ besetzte Einsamkeit ist oft eine quälende Vereinsamung einhergehend mit

  • Isolation
  • Abgetrennt sein von der sozialen Umwelt
  • Abhängigkeit

Sie bedeutet häufig

  • Belastung
  • Frustration, genervt sein

und geht mit Gefühlen von Leere und Trauer einher.

Als Verbannung, Ausschluss aus der Gemeinschaft kann sie als Foltermethode eingesetzt werden.

Die positiv besetzte Einsamkeit wird in der Regel als schöpferisch erlebt.

  • Gesellschaftliche Zwänge fallen weg.
  • Der Mensch genügt sich selbst.
  • Es ist eine Form des Rückzugs, der Autonomie ermöglicht.

Hannah Arendt sagt dazu: „Denken in der Einsamkeit ist ein Dialog, ein stummes Zwiegespräch mit sich selbst, das neue Erkenntnisse ermöglicht.“

Und Dein all-EINS-ein? Deine EIN-sam-keit?

Es ist Weihnachtszeit – eine Zeit der Rück-besinnung, eine Zeit für/und mit Familie / Freunden und für viele auch eine Zeit des Alleinseins / der Einsamkeit. Hier möchte ich noch ein paar Impulsfragen zum Thema stellen:

  • Wann bin ich gerne alleine?
  • Wie zelebriere ich dieses „Alleinsein“?
  • Welche Frei-Räume sind mir wertvoll?
  • Wofür bin ich dankbar?
  • Wie kann ich gut mit mir in Beziehung zu mir treten?
  • Welche Netzwerke habe ich? Welche mag ich mir aufbauen?
  • Welchen Sinn kann ich in meinem Alleinsein / meiner Einsamkeit finden?

Ich freue mich auf inspirierende Rückmeldungen von Ihnen und wünsche Ihnen eine bereichernde Zeit.

Ruth Bühler-Schuchmann; Nürnberg

Lehr-Trainerin für Biografiearbeit nach LebensMutig
Traumaberaterin
Supervisorin und Choachin i. A. nach DGSF e.V.
www.heute-gestern-morgen.info
rbs@heute-gestern-morgen.info

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