In einer Welt, die oft nach Leistung, Tempo und Effizienz fragt, stellt die Logotherapie eine wohltuend andere Frage: Wofür lohnt es sich, zu leben?
Gegründet von Viktor Emil Frankl in den 1930er Jahren, ist die Logotherapie die sogenannte Dritte Wiener Schule der Psychotherapie – nach Freud und Adler. Frankl war Professor für Neurologie und Psychiatrie, sowohl in Wien als auch in den USA. Sein zentrales Anliegen: dem Menschen dabei zu helfen, Sinn im Leben zu finden – selbst unter schwierigsten Bedingungen.
Logotherapie und Existenzanalyse – zwei Seiten einer Medaille
Frankl unterschied zwei Begriffe:
- Existenzanalyse – die eher theoretisch-philosophische Betrachtung der menschlichen Existenz
- Logotherapie – die praktische Umsetzung im psychotherapeutischen Alltag, in Beratung, Prävention und Lebensführung
Der Ansatz ist zutiefst humanistisch: Jeder Mensch trägt in sich die Möglichkeit, Sinn zu entdecken – auch wenn er ihn gerade nicht (mehr) spürt. Sinn ist nichts, das man von außen verordnet bekommt. Er ist etwas, das aus uns selbst heraus entsteht – durch unsere Haltung, unser Denken und unser Tun.
Der Mensch als dreidimensionales Wesen
In der Logotherapie ist der Mensch mehr als Körper und Psyche – er ist auch ein geistiges Wesen.
Diese geistige Dimension befähigt ihn, Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen und bewusst mit sich und der Welt in Beziehung zu treten.
Das bedeutet: Auch wenn wir nicht alles beeinflussen können, haben wir immer die Freiheit, Stellung zu beziehen. Wir sind keine bloßen Opfer der Umstände.
Sinn – die zentrale Kraft im Leben
Für Frankl war klar: Der Mensch ist ein sinnorientiertes Wesen. Er will nicht nur leben, sondern für etwas leben.
Gerade in Krisen, wenn bisherige Gewissheiten bröckeln, zeigt sich die Kraft des Sinns. Die Logotherapie unterstützt dabei, verloren geglaubten Sinn neu zu entdecken oder sich ihm wieder anzunähern.
Ein sinnvolles Leben ist auch ein prophylaktisches Leben: Wer in seiner Arbeit oder seinen Beziehungen Sinn erlebt, ist widerstandsfähiger gegenüber Stress und Erschöpfung – Stichwort Burnout-Prävention.
Frankl sagte:
„Wir haben alles, wovon wir leben, aber nichts, wofür wir leben.“
Gerade in einer konsumorientierten Welt, in der viel verfügbar ist, aber wenig wirklich erfüllt, braucht es diese Rückbesinnung: Was gibt meinem Leben Tiefe? Was macht es lebendig?
Vom Gelungenen lernen
Die Logotherapie legt den Fokus auf das Gelungene – auf jene Erfahrungen, die uns stärken, erfüllen, berühren.
Diese positiven Erlebnisse sind wie kleine Ankerpunkte, aus denen wir Selbstvertrauen und Mut schöpfen können.
Doch oft sind wir es gewohnt, auf das zu schauen, was nicht gelungen ist – angefangen in der Schule bis hin zur Kommunikation im Alltag.
Stattdessen können wir lernen, uns zu fragen:
- Wann war ich in meinem Element?
- Was hat mir Sinn gegeben?
- Welche Momente haben sich richtig angefühlt?
Sich bewusst an das Gefühl des Gelingens zu erinnern, kann eine enorme Kraftquelle sein – gerade in herausfordernden Zeiten.
Sinn ist individuell – und immer wandelbar
Es gibt nicht den einen großen Sinn des Lebens, sondern immer nur den persönlichen Sinn im eigenen Leben.
Was für mich heute sinnvoll ist, kann sich verändern. Entscheidend ist, dass ich im Dialog mit meinem Leben bleibe – bereit, immer wieder neu hinzuschauen und Antworten zu geben.
Erika Ramsauer, MTD, Salzburg, Staat. geprüfte Psychosoziale Beraterin
www.erikaramsauer.at
(Kontakt mail: erikaramsauer@lebensmutig.de)