Biografiearbeit in der Natur
Wenn die Welt im Großen oder der Alltag im Kleinen uns unsere Grenzen aufzeigt oder auch Grenzen überschreitet und sich Probleme und Sorgen nicht so leicht von der Schwelle weisen lassen, sondern es sich in unserem Kopf, in unserem Geist so richtig bequem machen, ist es sehr hilfreich, einfach mal abzuhauen. Nicht für immer. Nur ein wenig, für ein, zwei Stunden. Einfach mal raus aus dem Haus, raus aus der Wohnung, raus in die Natur.
Die Natur weitet den Blick
Sie hilft uns, Kummer und Sorgen mit mehr Distanz, aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Und mit ein wenig Glück, offenen Augen und wachem Geist findet sich unterwegs ein Ruheort. Ein Ort um auszuruhen und sich mit der Kraft der Natur zu verbinden:
- Eine Löwenzahnwiese im Frühling: Der Löwenzahn, der zunächst frühlingsbunt Freude verbreitet im leuchtenden Gelb, und schließlich, als Pusteblume unermüdlichen Optimismus: immer und überall findet er Landeplätze, um weiter zu wachsen, von neuem zu blühen.
- Ein kleiner See oder ein Weiher, ein Fluss in dem man schwimmen kann
Was für eine wundervolle Feststellung: Das Wasser trägt mich. Wer sonst kann das schon?
- Ein Baum, der zuverlässig und treu immer zur Stelle ist, wenn Sie eine Wanderung, einen Spaziergang machen, um den Kopf wieder frei zu bekommen und dort in seinem Schatten ein wenig Rast und Ruhe finden.
Und das sind nur ein paar wenige Beispiele.
Wenn ich von unserem Haus Richtung Süden gehe, bin ich in 20 Minuten im Wald. Nach etwa 40 Minuten kommt eine Lichtung. Ein paar Wegweiser zeigen den Wandernden, wo es zum nächsten Dorf geht, zur nächsten Alpe. Ein kleines unscheinbares Schild sagt: Zum Mammutbaum.
Ich folge dem Trampelpfad am Wiesenrand. Da steht er vor mir, der Mammutbaum. Als einziger seiner Art steht er hier am Waldrand, umgeben von Fichten, mit Blick nach Süden, in die Berge. Seit 140 Jahren, als ein Mann aus dem Nachbardorf den Setzling aus Kalifornien mitbrachte, behauptet er sich hier im rauen Allgäuer Klima, für das er nicht geschaffen ist. Vielleicht ist er nicht so groß und mächtig wie seine Verwandten, die an optimalen Standorten leben. Dennoch: Er behauptet sich. Seine rötliche Rinde fühlt sich weich und warm an.
Mein Baumfreund, an den ich mich anlehnen kann und ein wenig Kraft und Trost finde.
Waltraud Eulenstein, Trainerin für Biografiearbeit, Übersetzerin, Textilkünstlerin, Kaufbeuren
waltraud.eulenstein@lebensmutig.de