Was bei Abschied und Neubeginn mit uns geschieht
Hans Kahlau
„Über der staunenden Menge
lässt der Trapezkünstler seine Schaukel los
und wenn sein Zeitempfinden gestimmt hat,
dann schnappt er sich die andere Schaukel.
Das ist der Flug ins Wachstum.“
(aus „Ohne Wachstum ist nichts“ von Ulrich Schaffer)
Das Motiv vom Trapezkünstler ist für mich ein starkes Bild. Es macht deutlich, wie sich biografischer Wandel in Phasen vollzieht: Im Loslassen des Alten – im Schweben durch luftleeren Raum – im mutigen Zupacken des Neuen. Jede dieser Phasen hat ihren eigenen Sinn und ihre eigene Dynamik:
- Beim Lösen vom Bisherigen kommen unsere Befürchtungen ans Licht: Was wird geschehen, wenn ich das Vertraute hinter mir lasse?
- Zwischen Loslassen und dem erneuten Sich-Einlassen kommt ein schmerzhafter Moment existenzieller Leere: Vertrautes ist nicht mehr und das Neue noch nicht fassbar – die Zeit scheint still zu stehen.
- Schließlich ergreifen wir voller Hoffnung, was auf uns zukommt – auch wenn wir oft noch nicht ermessen können, was es mit sich bringen wird.
“…es gibt kein Wachstum, ohne zu springen, ohne Brücken hinter sich zu verbrennen und dann großäugig und fröstelnd an einem neuen Ufer zu stehen“, so beschreibt der Schriftsteller Ulrich Schaffer in seinem eingangs zitierten Text die Zeiten zwischen Abschied und neuem Aufbruch.
Doch wer sich mutig auf Veränderungen im Leben einlassen kann, wird gestärkt daraus hervorgehen und mit Wachstum belohnt. Dies gilt für alle biografischen Wandlungen, die wir von der Geburt bis zum Tod vollziehen. Dies gilt auch für alle gesellschaftlichen Veränderungen. Mut zum Wandel macht uns dabei auch der Dichter Christian Morgenstern (1871 – 1914):
Wir brauchen nicht so fort zu leben,
wie wir gestern gelebt haben.
Macht Euch nur von dieser Anschauung los
und tausend Möglichkeiten
laden uns zu neuem Leben ein.
Hans Kahlau
Erwachsenenbildner und
Trainer für Biografiearbeit, Ludwigsburg